Im Rahmen des geographischen Kolloquiums am 21. November referierte Claudia Siebeck über kreative Bürgerbeteiligung und nachhaltige Entwicklung in Zeitz. Der folgende Beitrag fasst den Vortrag von Claudia Siebeck zusammen und bietet Einblicke in ihre Arbeit als Nachhaltigkeitsmanagerin.
Das Projekt ZeNaTra wurde 2022 von der Stadt Zeitz in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Planungsbüro quartier vier initiiert. Ziel war die Entwicklung eines partizipativen und praxisorientierten Nachhaltigkeitskonzepts für die Stadt, wobei Claudia Siebeck das Vorhaben in der Rolle als Nachhaltigkeitsmanagerin begleitete. Gefördert durch das Bundesprogramm Kommunale Modellvorhaben zur Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeitsziele in Strukturwandelregionen (BMUV), zählt ZeNaTra zu den richtungsweisenden Initiativen im Bereich nachhaltiger Stadtentwicklung. Nach Abschluss der ersten Förderphase, in der bereits zahlreiche Teilprojekte umgesetzt werden konnten, erhielt der Folgeantrag eine Bewilligung. Für seinen innovativen Ansatz zeichnete Bundesumweltministerin Steffi Lemke das Projekt aus.
Der ursprüngliche Auftrag bestand darin, klimagerechte Freiflächen zu identifizieren und zu gestalten. Eine zentrale Innovation war die aktive Einbindung der Bewohner*innen in den Entwicklungsprozess. Um eine breite Beteiligung sicherzustellen, wurden neben klassischen Beteiligungsformaten auch Ansätze wie Haustürbefragungen und Schulbesuche genutzt, um schwer erreichbare Gruppen einzubeziehen. Basierend auf einer Umfrage mit 276 Teilnehmer*innen aus allen Stadtteilen wurden die lokalen Bedürfnisse in den Bereichen Nachhaltigkeit und Gemeinschaft ermittelt. Daraus entwickelte sich die Idee, das Projekt breiter anzulegen und interaktive sowie kreative Freizeitaktivitäten mit Bildungsinhalten zu integrieren. Diese hatten zum Ziel, das Mikroklima durch Grünflächen zu verbessern und Gemeinschaftsräume zu schaffen, um insgesamt das gesundheitliche und soziale Wohlbefinden zu fördern.
“Claudia Siebeck, Welche besonderen Erfahrungen haben Sie in Hinblick auf die Einbindung der Bewohner*innen gemacht? Gibt es Strategien, die sich besonders bewährt haben, um schwer erreichbare Gruppen, wie Jugendliche oder ältere Menschen, erfolgreich einzubinden?”
“Wir haben bewusst auf eine zentrale Ideenwerkstatt verzichtet, wie sie oft üblich ist. Stattdessen stellten wir uns mit den Umfragen auf öffentliche Plätze, um verschiedene Menschen direkt zu erreichen. Jugendliche sprachen wir in Kooperation mit Lehrpersonen gezielt in den Schulen, auf dem Hof und im Hort an. Wichtig war uns dabei ein Geben und Nehmen: Vorschläge wurden ernst genommen und in die Aktivitäten eingebunden. Dieses Vorgehen stärkt das Vertrauen, weil die Menschen einen tatsächlichen Einfluss spüren. Die daraus entstandenen Aktivitäten waren sehr erfolgreich – manchmal waren wir bis zu 200 Personen. Insgesamt würde ich fast so weit gehen und sagen, dass ohne solcher Aktionen nicht von einer partizipativen Stadtentwicklung gesprochen werden kann.”
Zu den realisierten Teilprojekten zählt die Umgestaltung einer historischen Streuobstwiese in einen öffentlichen Garten mit Sitzgelegenheiten, die zum Verweilen einladen. Beliebt sind laut Claudia Siebeck auch Formate wie Picknicks mit Aktivitäten für Kinder, thematische Stadtrundgänge sowie der Ausbau eines Wanderwegs, dessen Route unter Einbeziehung lokaler Expertise entwickelt wurde. Ergänzend gab es nachhaltige Kochkurse, die praktische und kulturelle Aspekte verbinden.
Für die Zukunft sind weitere Projekte geplant, darunter zwei Tiny Forests. Diese kleinen Wälder sind so konzipiert, dass sie sich durch gezielt zusammengestellte Pflanzengesellschaften nahezu selbst pflegen und ein schnelles Wachstum fördern.
“Was würden Sie anderen Städten empfehlen, die ähnliche Ansätze für eine partizipative und nachhaltige Stadtentwicklung umsetzen möchten?”
“Ein solches Projekt muss zur Hauptaufgabe gemacht werden. Wenn es in der Stadtverwaltung angesiedelt ist, fehlen oft die nötigen Kapazitäten. Daher sollte eine externe Person mit einer differenzierten Perspektive die Leitung übernehmen. Öffentliche Fördermittel gibt es genug und wenn es um die Strategie geht, kann ich die aus Zeitz nur empfehlen: aktiv auf die Bevölkerung zugehen und etwa 1% befragen, dabei besonders die Jugend einbeziehen und ein breites Band an Aktivitäten anbieten. Niederschwellige Angebote – wie Snacks, Getränke und kleine Überraschungen – sind dabei besonders effektiv, um das Interesse der Bevölkerung zu wecken. Wichtig ist auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, Projektleitung und Vereinen – die breite Zivilgesellschaft allein reicht nicht aus.“