Der Neuschnee am 2. Dezember in Zeitz hielt die Gruppe nicht davon ab, gemeinsam mit Stadtrat Reiner Eckel auf einen Stadtspaziergang zu gehen. Vom Bahnhof verlief die Route Fluss aufwärts am alten ZEKIWA-Standort vorbei. Dort soll im Rahmen des Neuen Europäischen Bauhaus das ehemalige Industriegelände für das Stadtarchiv und weitere öffentliche Nutzung hergerichtet werden. Für die aufwendig sanierten Flächen sucht die Stadt allerdings noch weitere Interessent:innen und Nachnutzungsideen. Vom Mühlengraben ging es steil bergauf entlang am ehemaligen Zitzer-Werk in die Zeitzer Fußgängerzone, wo seit November auf den Verkaufsflächen eines alten Kaufhauses nun ein Co-Working Space eröffnet hat. Die meisten Arbeitsplätze seien schon dauerhaft an Mitarbeitende überregional agierender Firmen vermietet, betonte die Inhaberin. Der modern eingerichtete Arbeitsort hätte für sie eine Doppelfunktion und diene ebenso als Showroom für die eigene Messe- und Ladenbaufirma.
In der zum Teil verfallenen und durch die Vollsperrung ruhigen Rahnestraße wartete bereits Thomas Haberkorn in der alten Stadtbibliothek, die heute - inzwischen in Privatbesitz - als Künstler- und Veranstaltungshaus dient. Am warmen Ofen berichtete der geborene Zeitzer über Stadtentwicklung, neue Imagekampagnen, die Rolle von Kunst und Kreativwirtschaft sowie auch über fehlende Partizipationsmöglichkeiten im Strukturwandel und bürokratische Hürden. Auch Reiner Eckel gab zu bedenken, dass die meisten Strukturwandelgelder in Projekte fließen würden, die an den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung vorbeiliefen.
Zum Abschluss ging es ins Zeitzer Digitalisierungszentrum. Am neuen Standort schilderte Projektmitarbeiter Matthias Laue Chancen und Herausforderungen für die Digitalisierung im ländlichen Raum im Allgemeinen, aber auch für den Strukturwandel im Spezifischen. Einige Monitoring-Projekte hätten bereits überregional Interesse angeregt, jedoch sei die Zukunft des Zentrums aufgrund finanzieller Unsicherheiten noch ungewiss, führte Herr Laue aus.
Am 9. Dezember stand ein Besuch im Tagebau Profen auf dem Programm. Der Nebel ließ die Ausmaße der Abbaufelder nur erahnen. Herr Stahl, Ortsbürgermeister in Reuden und verantwortlich für Führungen bei der MIBRAG führte zu geplanten Investitionen in erneuerbare Energien aus und brachte die wichtigsten Aspekte des Braunkohleabbaus auf den Punkt, sowie die damit verbundenen Herausforderungen aufgrund des drohenden vorgezogenen Braunkohleausstiegs und den massiven finanziellen Belastungen im Zuge der Renaturierung und Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft.
Nach den eindrücklichen Erzählungen zu Umsiedlungen und Devastierung ganzer Dörfer im Mitteldeutschen Revier zeigte der anschließende Besuch in Pödelwitz die realen Ausmaße und Folgen für eine Ortschaft, die bis Anfang 2021 vor der Ungewissheit stand, „doch noch“ abgebaggert zu werden. Auf einem großen Dorfspaziergang berichteten zwei Mitglieder des Dorfvereins „Pödelwitz hat Zukunft“ über die aktuelle Lage, ihre Vision für das Dorf und die vertrackte Eigentumssituation, in der das Bergbauunternehmen MIBRAG aufgrund des hohen Eigentumsanteils maßgeblich über die Zukunft entscheiden kann, sich jedoch bisher wenig kooperationsoffen gezeigt hat. So stehen die unternehmenseigenen Immobilien seither leer und zahlreiche Gebäude stehen nach ausbleibender bautechnischer Sicherung und Pflege kurz vor dem Verfall.
Mit vielfältigen Eindrücken aus dem Revier gingen zwei lange und kalte Exkursionstage zu Ende. Dabei zeigte die Vielfältigkeit der erfahrenen Perspektiven welche Komplexität und damit große Herausforderungen mit dem Strukturwandel einhergehen.