Am 14. Juni lud das Seminar für Ethnologie der MLU in den Seminarraum des Max-Planck-Instituts für ethnologische Forschung zu einem öffentlichen Gastvortrag von Kim Fortun ein.
Fortun ist Direktorin des EcoGovlab und Professorin für Anthropologie an der University of California, Irvine. Ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit konzentriert sich auf Umweltgesundheit, Ungerechtigkeit und Katastrophen, experimentelle ethnografische Methoden sowie die Poetik und Politik von Dateninfrastrukturen. Ihr Vortrag wurde folgendermaßen eingeordnet:
"´Late industrialism´ points to both a historical period (since the mid- 1980s) and an analytic framework that draws out ways environmental hazards, vulnerabilities, and injustices are produced through tight coupling of historically sedimented socio-technical, political-economic, eco-atmospheric, cultural and discursive systems. I began to puzzle through these couplings about a decade ago, concerned about what it meant to "Remember Bhopal" 30 years after the historic toxic gas disaster in India (where I began my research career); 30 years into the environmental justice movement. In this presentation, I'll share how the world and my framing have developed since, implicating how I practice, teach and work to infrastructure ethnographic research. I'll also share and invite participation in diverse, experimental ethnographic projects."
In der Vorlesung hat Fortun ihre Arbeit als klassische Ethnographie im Sinne Malinowskis beschrieben. Dahingehend, dass es ihr um detaillierte Beschreibungen und einen Vergleich der Dynamiken von verschiedenen Orten geht. In dem Vortrag kritisiert sie die Praxis der „environmental governance“ in den USA anhand ihrer Fallstudien in Santa Anna und Calhoun County, die sie mit Kontexten des Umweltrassismus in Verbindung bringt.
Staatliche Akteure wie die EPA (United States Environmental Protection Agency) würden Karten überdurchschnittlicher Belastung mit Schadstoffen veröffentlichen, aber darin keinen Anlass zum Handeln sehen. Der Prozess der Beseitigung vom Schadstoff-Belastungen sei lediglich„complaint driven“. Allerdings waren die Einwohner:innen von Santa Anna bis vor kurzem gar darüber in Kenntnis, dass sie neben einem Industriegebiet wohnen und welche Stoffe dort emittiert werden. Die EPA ordnet die dort ansässige Community anhand ihrer Daten schon lange als „disadvantaged“ ein. Weitere Probleme seien, dass die staatlichen Akteure die Selbstorganisierung der Community nicht anerkennen und in einem „stubborn essentialism“ immer nur auf das Gefahrenpotenzial einzelner Stoffe schauen, nie auf die Gesamtbelastung und daraus resultierende Folgen - sowohl ökologisch als auch sozial.
Kim Fortuns Forschungsteam organisiert öffentliche Veranstaltungen zusammen mit den Communities, bei denen die Behörden mit den Auswirkungen ihrer Politiken auf die Anwohner:innen konfrontiert werden.
(aus den Vortragsnotizen von Philipp Baum, SHK am Zentrum für Interdisziplinäre Regionalstudien & Cheyenne Wolf, SHK am Seminar für Ethnologie und dem HALIS-Institut)