Rückblick: Tagung zu 100 Jahre Landesplanung in Mitteldeutschland

Im April 2025 feierte die Landes- und Regionalplanung ein besonderes Jubiläum: Vor 100 Jahren, am 2. April 1925, wurde in Halle (Saale) der „Landesplanungsverband für den engeren mitteldeutschen Industriebezirk“ gegründet und damit der wissenschaftliche und methodische Grundstein für die heutige Landes- und Regionalplanung gelegt.

Aus diesem Anlass veranstalteten das ARL-Forum Südost der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) zusammen mit dem Institut für Strukturwandel und Nachhaltigkeit (HALIS) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) vom 2. und 3. April 2025 eine zweitägige Fachtagung mit hochkarätigen Grußworten, diversen Fachvorträgen und einer Exkursion ins Geiseltal. Die Tagung zu „100 Jahre Landesplanung in Mitteldeutschland: Perspektiven auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ reflektierte die historische Entwicklung der Landesplanung und verknüpfte sie mit den aktuellen Aufgaben und Herausforderungen der Raumentwicklung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Anlässlich des Gründungsjubiläums wurde mit dem ersten Tagungstag die Ausstellung zur „Vision Mitteldeutschland. 100 Jahre Landesplanung“ in der Zentralen Kustodie in Halle (Saale) eröffnet und eine gleichnamige Festschrift veröffentlicht. Die Buchveröffentlichung von Prof. Dr. Harald Kegler finden Sie hier.

Unterstützt wurde die Tagung durch das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, das Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt, das Sächsische Staatsministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung, das Thüringer Ministerium für Inneres, Kommunales und Landesentwicklung, regionale Planungsgemeinschaften sowie weitere Partner*innen aus Mitteldeutschland.

Begrüßung durch Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt. © Milan Harms

Schon im Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Axel Priebs, Präsident der ARL, wurde deutlich: Landes- und Regionalplanung tragen auch heute eine zentrale Verantwortung für die Organisation der Transformation wie etwa im Bereich der Energiewende, Infrastrukturentwicklung und Klimaanpassung. Dabei sei es zentral, Politik und Öffentlichkeit stärker mitzunehmen: „Wir brauchen ein neues Narrativ, was […] verstanden wird“. Herausfordernd für die notwendige transdisziplinäre Zusammenarbeit angesichts der vielen, dringlichen Zukunftsthemen sind darüber hinaus die strukturellen Unterschiede in der Praxis regionaler Planung zwischen den Bundesländern: Während etwa Sachsen-Anhalt über kommunale Strukturen plant, erfolgt dies in Sachsen direkt über das Land.

Prof. Dr. Harald Kegler, Stadt- und Landschaftsplaner, stellte heraus, dass die Struktur der Landesplanung in Mitteldeutschland historisch „von unten“ gewachsen sei und bereits früh als informelle Einheit länderübergreifend agierte. Daran anknüpfend stellte Prof. Dr. Dirk Schaal, Wirtschaftshistoriker und Leiter der Kustodie an der MLU, die historische Kontinuität Mitteldeutschlands als Wirtschafts- und Kulturraum in den Mittelpunkt seines Vortrags: Energiewirtschaftliche Verflechtungen, traditionsreiche Residenzstädte und die vielfältigen Bildungslandschaften prägen die Region bis heute, oft über politische Grenzen hinaus. In seinem anschließenden Vortrag machte Prof. Dr. Jonathan Everts, Humangeograph an der MLU, deutlich, dass der sektorale Strukturwandel in Mitteldeutschland bereits überwiegend vollzogen ist. Die Tertiärisierung sei weit fortgeschritten und Wissenschaft und Forschung zählen heute zu den zentralen Wachstumstreibern – auch wenn sie vielfach nicht als solche wahrgenommen werden würden. Im gegenwärtigen Strukturwandel gelte es daher, überkommene Narrative zu hinterfragen, neue Perspektiven zu entwickeln und die vielfältigen Gestaltungsspielräume der Region aktiv zu nutzen.

Gruppenbild bei der Fachexkursion zum Geiseltalsee.

In der abschließenden Diskussion betonte Dr. Mareike Pampus, Post-Doc in der Humangeographie an der MLU, wie wichtig es sei, im Hinblick auf die vielfältigen Herausforderungen nicht nur vergangenheitsbezogen die Zukunft zu planen, sondern auch die Gegenwart aktiv und lebenswert zu gestalten.

Am Nachmittag führte eine Fachexkursion ins Geiseltal – inklusive Schiffrundfahrt auf dem Geiseltalsee – eindrücklich vor Augen, wie ehemalige Braunkohlestandorte neue Nutzungsmöglichkeiten erhalten können.

Der zweite Tag der Tagung widmete sich in weiteren Fachvorträgen dem Schwerpunktthema „Strukturwandel und Innovationen der regionalen Entwicklung Mitteldeutschlands“. Prof. Dr. Joachim Ragnitz vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung skizzierte zunächst die wirtschaftlichen Entwicklungen und zukünftigen Herausforderungen Mitteldeutschlands, darunter Arbeitskräftemangel, geringe Investitionsbereitschaft von Unternehmen und demographische Schrumpfung. Für die Regionalentwicklung seien jedoch die Dichte der Forschungseinrichtungen sowie deren Erreichbarkeit ein wesentlicher Pluspunkt.

Landes- und Regionalplaner*innen seien daher besonders gefordert innovative Ansätze der Raumentwicklung zu verfolgen, die Resilienz, Ressourcenschonung und Daseinsvorsorge stärker zusammendenken, so Prof. Dr. Matthias Pietsch von der Hochschule Anhalt. In seinem Vortrag stellte er aktuelle Forschungsprojekte vor, die darauf abzielen, die Vulnerabilität von relevanter Infrastrukturen und Einrichtungen zu verringern. Dazu zählen u.a. Ansätze für eine multifunktionale, klimaresistente Bodennutzung sowie digitale Partizipation-Tools, die eine bessere Verzahnung von Daseinsvorsorge und Raumplanung ermöglichen.

In zwei weiteren Vorträgen berichteten Jörn-Heinrich Tobaben von der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland von den geplanten Vorhaben im Bereich Wasserstoff und Dr. Andreas Otto über das Deutsche Zentrum für Astrophysik, welches im Lausitzer Revier als Großforschungszentrum entstehen soll. Für das Gelingen der Projekte seien eine grenzübergreifende politische Zusammenarbeit sowie gute Wissenschaftskommunikation essentiell.

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden zentrale Zukunftsfragen vertieft und konkrete Forderungen formuliert: ein länderübergreifender Planungsverband nach dem Vorbild des Ruhrgebiets, der eine stärkere Kooperation zwischen den Ländern vorsieht, eine engere Verzahnung von Forschung und Praxis sowie eine koordinierte Strategie zur Sicherung der Daseinsvorsorge.

Podiumsdiskussion mit (v.l.n.r.): Frank Thäger, Dr. Martin Stötzer, Prof. Dr. Andreas Berkner, Prof. Dr. Christine Fürst, Clemens Ortmann. © Ronja Hegemann

Auch der Aufbau digitaler Kompetenzen sowie vorausschauende Klimaanpassung insbesondere hinsichtlich der knappen Ressource Wasser sollten deutlicher Hand in Hand gedacht werden. Zudem wurde der Wunsch geäußert, Mittelzentren finanziell zu stärken und mehr in überregionale Planungsprozesse einzubinden.

Feierliche Verabschiedung von Prof. Dr. Andreas Berkner in den Ruhestand. © Ronja Hegemann

Die Tagung zeigte eindrücklich, wie lohnenswert ein gemeinsamer Rückblick über die letzten 100 Jahre Landesplanung ist und wie tief diese in Mitteldeutschland verankert ist. Gleichzeitig wurde deutlich, dass sich die Landes- und Regionalplanung – in Anbetracht der zukünftigen Herausforderungen – auch selbst transformieren und weiterentwickeln muss. Doch wie Prof. Dr. Harald Kegler auf den Punkt brachte, bringen Planer*innen genau die richtigen Eigenschaften mit, die es dafür braucht: „das Durchhalten“ und „den langen Atem“.

Einen symbolischen Schlusspunkt setzte die feierliche Verabschiedung von Professor Andreas Berkner, der nach rund 30 Jahren als Leiter des Regionalen Planungsverbands Leipzig-Westsachsen offiziell in den Ruhestand verabschiedet wurde.