In einem zeitigen Zwischenfazit formuliert er dazu konkrete Versäumnisse aus der Perspektive der Regionalentwicklung: Zu Irritation hätten für ihn insbesondere die im Bericht der sogenannten Kohlekommission und im nationalen Gesetzestext zum Kohleausstieg genannten Großprojekte geführt, welche für ihn keine Regionalentwicklung darstellen, sondern vielmehr an stark veraltete regionalpolitische Diskussionen der 1960er und 70er Jahre erinnern würden. Zudem sei in keinem der deutschen Reviere eine kooperative Regionalentwicklung geplant, was schon erklärungsbedürftig wäre. Schließlich sei der Einbezug der zentralen Akteur:innen unter Berücksichtigung umfangreichen, regionalen Erfahrungswissens unabdingbar. Wider aller Regeln der Regionalentwicklung würden so weder endogene Potentiale noch auf die Bedeutung von lokalen Netzwerken und den Wissenstransfer eingegangen. Einen weiteren kritikwürdigen Aspekt stellen seiner Meinung nach die fehlenden funktionalen Zusammenhänge der Kohleregionen dar, sodass länderübergreifende Kooperationen zunehmend von Alleingängen einzelner Bundesländer kolportiert würden und keinen Raum für eine gemeinsame Planung ließen. Zuletzt würden die aktuell drittmittelstärksten Forschungseinrichtungen Fördergelder von den Strukturwandelmitteln abgreifen, was weder Arbeitsplätze noch Entwicklung vor Ort hervorrufen würde. Eine Regionalentwicklung für die „Europäische Modellregion zu einer klimaneutralen Industriegesellschaft“ sehe für ihn anders aus.
Aller Kritik zum Trotz findet der Universitätsprofessor auch ähnlich deutliche Worte für eine Transformationsplanung im nachhaltigen, regionalplanerischen Sinne. Aus dreißig Jahren Erfahrung in der Regionalentwicklung zeige sich, dass insbesondere außeralltägliche Sonderformate wie beispielsweise die IBAs (internationale Bauaustellungen) und eine damit verbundene Festivalisierung (im stadtplanerischen Sinne) als Chance für die Regionen des Strukturwandels dienen könnten. Demnach seien eine zeitliche Begrenzung, bürokratiearme Planungsverfahren, priorisierte Förderregime sowie die Konzentration aller beteiligten Akteur:innen auf eine Festivität als positive Effekte für den Strukturwandel anzusehen. Lehren dafür könne man insbesondere aus NRW ziehen, wo seit 2000 politisch außergewöhnliche Leistungen mit der sogenannten "Regionale" erzielt würden und besonders ländliche Regionen davon profitiert hätten. Dabei stellen ein kulturelles Angebot und eine erhöhte Lebensqualität die treibenden Faktoren dar, währenddessen das gängige Narrativ von den guten Industriearbeitsplätzen nicht länger als Garant für eine positive Regionalentwicklung gelten dürfe, so der Raumplaner. Im Gegenteil, für eine Festivalisierung brauche es kurzzeitig intensive Förderpolitiken von unten, eine Dezentralisierung von Macht und für eine schlanke Bürokratisierung eigenständige Planungsorganisationen außerhalb der Verwaltungen. Zudem würden diskursive Projektqualifikationen innovative Regionalkonzepte fördern und die lokalen Akteur:innen zum Handeln bewegen.
Zu klären gelte dennoch, ob die Reviere tatsächlich innovationswürdig seien. Rainer Danielzyk sieht mit Blick auf das Rheinische und Lausitzer Revier mentale Log Ins und wenige Anknüpfpunkte (endogene Faktoren), die eine Raumtransformation eher bremsen, gar behindern würden. Vielmehr brauche es mikrosoziologische Forschung zu den lokalen und regionalen Mindsets und Identitäten anstelle das „Große Ganze“ zu untersuchen, um einen nachhaltig und sozialgerechten Strukturwandel zu konzipieren.
Das bleiben jedoch die großen offenen Fragen, welche über die Zukunft der Reviere entscheiden würden. Doch das würde sicher nicht alles für das Mitteldeutsche Revier zutreffen, gibt der Uniprofessor am Ende seines Vortrags beschwichtigend zu und muss selber dabei schmunzeln.
Flankiert wurde der Vortrag mit Beiträgen von zwei Diskutanten: Prof. Dr. Christoph Brumann, Honorarprofessor der MLU und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, das sich der vergleichenden Untersuchung gegenwärtiger sozialer Wandlungsprozesse widmet, sowie Dr. Backhaus-Maul Projektleiter und Mitglied im Ausschuss Transfer des Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Letzterer ist Soziologe und setzt sich wissenschaftlich mit Zivilgesellschaft und organisiertem Engagement auseinander. Auf die Fragen und Kommentare der beiden Diskutanten zu partizipativen Verfahren der Bürgerbeteiligung und der Frage nach dem zivilen, organisierten Engagement in der Region, weist Danielzyk auf die Schwierigkeit der Partizipation in der Regionalentwicklung hin. Zu komplex seien die Zusammenhänge, sodass man die lokale Ebene zwar gestalten, die regionale Ebene dagegen nicht überfordert werden sollte. Sein letzter Punkt gelte der Kreativität - diese brauche es um die Ökologie mit der Kultur vor Ort zu verbinden und durch Außeralltägliches Räume für Innovation zu schaffen. Nur eine zeitlich begrenzte Festivalisierung zwinge die Menschen zum Handeln.
Weitere Veranstaltungen finden sie unter https://strukturwandel.uni-halle.de/vorlesungsreihe/